Überblick über das US-Patentverletzungsverfahren
Das US-Patentverletzungsverfahren ist der zentrale Mechanismus zur Durchsetzung von Patentrechten in den Vereinigten Staaten. Während die grundsätzlichen Fragen der Patentverletzung – wie die wortsinngemäße oder äquivalente Nutzung – auch in anderen Jurisdiktionen relevant sind, zeigt das US-System einige Besonderheiten.
Die Definition der Patentverletzung unter US-Recht
In den USA unterscheidet man zwischen zwei Hauptformen der Patentverletzung:
-
Direkte Verletzung: Nach 35 U.S.C. § 271(a) liegt eine direkte Verletzung vor, wenn jemand ohne die Zustimmung des Patentinhabers die patentierte Erfindung herstellt, benutzt, verkauft, zum Verkauf anbietet oder importiert.
-
Indirekte Verletzung: Dazu zählen insbesondere die induzierte Verletzung und die kontributive (mittelbare) Verletzung.
-
Bei der induzierten Verletzung (35 U.S.C. § 271(b)) fördert oder unterstützt der Beklagte vorsätzlich eine Verletzung durch Dritte.
-
Die kontributive Verletzung (35 U.S.C. § 271(c)) betrifft die Lieferung von Komponenten, die speziell für die patentierte Erfindung entwickelt wurden und keine andere wesentliche Verwendung haben.
Ein entscheidender Punkt im US-Patentverletzungsrecht ist der Begriff der äquivalenten Verletzung. Die “Doctrine of Equivalents” ermöglicht es, Patentverletzungen auch dann festzustellen, wenn die angegriffene Ausführungsform nicht alle Merkmale des Patentanspruchs wortwörtlich erfüllt, aber im Wesentlichen die gleiche Funktion auf die gleiche Weise mit dem gleichen Ergebnis erzielt.
Verletzung und Rechtsbeständigkeit
Im US-Recht trägt der Kläger die Beweislast für die Patentverletzung. Anzuwenden ist der sog. “preponderance of evidence”-Standard. Eine Möglichkeit zur Verteidigung der Beklagten besteht darin, die Rechtsbeständigkeit des Patents anzugreifen (= invalidity) defense). Dies kann zusätzlich oder alternativ zum Bestreiten der eigentlichen Patentverletzung erfolgen (non-infringement defense).
Die Rechtsbeständigkeit von Patenten wird vermutet. Die Beklagte muss daher, sollte sie sich auf invalidity berufen, mit “clear and convincing evidence” nachweisen, dass das fragliche Patent ungültig ist. Diese Beweislast ist strenger als der “preponderance of evidence”-Standard, der für die Frage der Verletzung gilt.
Parallel zu einem Verletzungsverfahren können Beklagte auch auf das Inter Partes Review (IPR) oder ein Post-Grant Review (PGR) vor dem USPTO zurückgreifen, um die Rechtsbeständigkeit des Patents anzugreifen.
Ablauf eines US-Patentverletzungsverfahrens
Ein Patentverletzungsverfahren in den USA verläuft typischerweise in mehreren Phasen:
1. Einreichung der Klage
Das Verfahren beginnt mit der Einreichung einer Klage vor einem Bundesgericht. Da das Patentrecht in den USA auf Bundesebene geregelt ist, sind ausschließlich Bundesgerichte zuständig.
2. Discovery-Phase
Die Discovery-Phase ist ein Kernstück des US-amerikanischen Prozessrechts. Beide Parteien haben weitreichende Möglichkeiten, Beweise zu sammeln, einschließlich:
• Dokumentenanfragen
• Vernehmungen von Zeugen und Experten (Depositions)
• Sachverständigengutachten
Die Discovery ist besonders kostenintensiv und zeitaufwendig, ermöglicht jedoch eine umfassende Aufarbeitung des Sachverhalts.
3. Markman-Hearing (Claim Construction)
Eine Besonderheit des US-Systems ist das sogenannte Markman-Hearing. In dieser Phase entscheidet der Richter – nicht die Jury – über die Auslegung der Patentansprüche. Die Auslegung der Ansprüche bildet die Grundlage für die spätere Feststellung einer Verletzung oder Nichtverletzung.
4. Verhandlung und Urteil
Im US-Patentverfahren kann der Fall vor eine Jury gebracht werden, die letztlich entscheidet, ob eine Patentverletzung vorliegt und welcher Schadensersatz angemessen ist. In bestimmten Fällen kann der Richter auch allein urteilen, insbesondere bei reinen Rechtsfragen.
Schadensersatz und Rechtsfolgen
US-Patentverletzungsverfahren sind bekannt für ihre hohen Schadensersatzsummen. Der Patentinhaber hat gegen den Verletzer einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Diese Entschädigung muss mindestens so hoch sein wie eine angemessene Lizenzgebühr. Auch entgangene Gewinne durch die Patentverletzung können erstattet werden. Was als „angemessen“ gilt, wird anhand der üblichen Praxis in der jeweiligen Branche und früheren Lizenzgebühren des Patentinhabers beurteilt.
Wenn der Verletzer absichtlich bzw. wissentlich gehandelt hat, kann das Gericht den Schadenersatz auf das Dreifache erhöhen.
In Ausnahmefällen kann das Gericht den Verletzer zwingen, die weitere Nutzung des Patents zu stoppen oder Produkte, die gegen das Patent verstoßen, vom Markt zu nehmen (sog. injunction). Zumeist wird dem Patentinhaber jedoch ausschließlich Schadenersatz zugesprochen.
Wirtschaftliche und strategische Überlegungen
Das US-Patentverletzungsverfahren ist nicht nur ein juristischer Prozess, sondern auch ein wirtschaftliches Instrument. Die hohen Kosten und Risiken des Verfahrens – insbesondere aufgrund der umfangreichen Discovery und der potenziell hohen Schadensersatzsummen – führen häufig zu Vergleichsverhandlungen. Eine frühzeitige Lizenzvereinbarung kann für beide Parteien vorteilhafter sein als ein langwieriger Rechtsstreit.
Zudem spielen Patentverletzungsverfahren eine zentrale Rolle in der Wettbewerbsstrategie von Unternehmen. Durch die konsequente Durchsetzung von Patentrechten können Unternehmen ihre Marktstellung sichern und Nachahmer abschrecken.